truxxon schrieb:Vielleicht ist das hier falsch rüber gekommen... ich habe nicht angefangen über die UL Fliegerei nachzudenken und habe dann hier direkt nen Thread über Sicherheit erstellt, weil ich panisch auf diese bedacht wäre... ich lese schon einige Zeit hier im Forum und auf UL Websites herum und viele meiner anderen aufkommenden Fragen wurden hier in etlichen Threads schon thematisiert nur eben diese nicht.
So unberechtigt ist die Frage nicht. Würden wir uns über Porsche, Jaguar und Konsorten unterhalten, käme - glaub ich - niemand auf die Idee, eine Typ-Debatte mit Sicherheitsgurten, Airbags, ABS und ESP zu beginnen. Newbe-Diskussionen hätte ich im Bereich "Wie geil ist das denn?" vermutet, analog zu dem Steppke, der sich jahreland die Nase am Flughafen-Zaun plattdrückt (Óne Six Right). Ich finde es eigentlich auch etwas merkwürdig, wenn jemand den Einstieg gerade über die negativsten Aspekte versucht. Aber das mag auch der Zeit geschuldet sein, die Exploration weniger unter dem Aspekt der Suche nach etwas Neuem betrachtet als vielmehr Exploration mit Netz und doppeltem Boden Sicherheits-Systemen marktreif machen will. Wenn das Thema Fliegen nur noch aus Sicherheit und Notlandungen besteht, lass es. Es sind schon ganze Generationen von Piloten ohne echte Notlandeübungen groß geworden und ein Rettungssystem kann Retten, muss aber nicht. Es "Muss" es nicht, weil bei der Auslösung eine so unbeschreibliche Vielfalt an Fluglagen, Flugzuständen und mechanischer Integrität des Gerätes vorliegen kann, dass ein 100% System nicht schaffbar ist. Dann mußt Du abwägen, ab Faszination Fliegen wichtig ist oder ob die Suche nach allgegenwärtiger Sicherheit wichtig ist. Die ewigen Sicherheitsdebatten schaffen nicht mehr Sicherheit. Um es mit den Worten eines großen Mannes zu sagen:Willst
du ein Schiff bauen, so rufe nicht die Menschen
zusammen,
um Pläne zu machen, Arbeit zu verteilen, Werkzeuge
zu holen
und Holz zu schlagen, sondern lehre sie die
Sehnsucht nach
dem großen, endlosen Meer. (Antoine de
Saint-Exupéry)Truxxon
FlyingDentist schrieb:Das ist sollte jeder wissen :)
In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die Sicherheitsmitteilung Nr. DAeC 2009-01 hingewiesen.
Leider wird immer wieder außer Acht gelassen, das bei allen Rettungsgeräten, das Verflusen der Drillschnaffen unbedingt zu vermeiden ist, denn sonst stoßen sie seitlich gegen den Übernocken und beschädigen die Querschmacken im Bereich der Doppelwinsche, was zur Zerstörung der Rahmengaffel führt.
Und was ein Rettungsgerät mit funktionsloser Rahmengaffel bedeutet, brauch ich wohl nicht zu erklären!
Michael
Hallo QQQ,
ich möchte die Antworten zu Deinen Fragen auch noch etwas ergänzen:
1) Warum haben ULs nen Rettungssystem und die anderen Flugzeugtypen nicht?
Gibts bei den ULs mehr Zwischenfälle, wo ein solches System helfen würde?
Sukram schreibt ganz richtig, dass Rettungsgeräte für in der Bundesrepublik zugelassene Luftsportgeräte vorgeschrieben sind.
Als die UL-Fliegerei Anfang der 80er Jahre begann, gab es keinerlei Regelungen. So kaufte ein Kamerad (PPL A-Inhaber) von unserem Platz auf der ILA in Hannover 1983 einen schweizer Ultraleichteinsitzer von der Fa. Friebe. Den Hersteller und den Name des Musters weiß ich nicht mehr. Es war jedenfalls ein offener Drahtverhau mit einem an der Tragfläche befestigtem Motor, ohne Instrumente aber über alle Achsen steuerbar. Zu Pfingsten kam dann die Maschine von einem Nachbarplatz, wo das Teil montiert wurde auf dem Luftwege zu uns. Am Pfingstsonntag wurden dann weitere Probeflüge durchgeführt. Am Pfingstmontag kam es dann aber in Platzrundenhöhe im Gegenanflug aus unbekannten Gründen zu einem Luftzerleger und der Pilot stürzte in Ermangelung eines Rettungsschirmes, von seiner Ehefrau tragischerweise beobachtet, tödlich ab.
Solche Luftzerleger waren zu dieser Zeit leider keine Einzelfälle. Das nächste UL startete bei uns übrigens erst über 15 Jahre später!
In Rahmen der fortschreitenden Regulierung und Beauftragung wurde dann unter anderem das Gesamtrettungsgerät zur Pflicht.
§ 3 LuftBO
Grundregel für den Betrieb
(1) Der Halter hat das Luftfahrtgerät in einem solchen Zustand zu erhalten und so zu betreiben, dass kein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird.
(2) Luftsportgeräte dürfen nur mit einem zugelassenen Rettungsgerät betrieben werden. Luftsportgeräteführer und Fluggast müssen einen geeigneten Kopfschutz zur Abwehr von Verletzungen bei Unfällen oder sonstigen Störungen tragen. Der Beauftragte kann Ausnahmen zulassen. Absatz 1 bleibt unberührt.
(3) Luftfahrtgeräte nach § 1 Abs. 4 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung dürfen nur betrieben werden, wenn die Lufttüchtigkeit nach der Verordnung zur Prüfung von Luftfahrtgerät nachgewiesen worden ist.
Oliver Reik bemerkt leider völlig richtig, das bis heute die Zahl der tödlich verunglückten UL-Piloten weit größer ist als die, der am Fallschirm geretteten.
Eine erfolgreiche Rettung hängt von drei Faktoren ab: dem Rettungsgerät selbst, der Implementierung im UL und zum größten Teil vom Piloten, der die Auslösung betätigen muss.
Die meisten Rettungsgeräte weisen im in-vitro-Versuch ihre prinzipielle Funktionstüchtigkeit nach, wenngleich auch einige die strengen Vorgaben der Bauvorschrift, was die Entfaltungszeiten angeht, bei genauem Hinsehen nicht immer erfüllen.
Problematischer ist da schon der Einbau in das UL. Hier hat schon vor einiger Zeit die BfU die Beauftragten aufgefordert, dass zumindest eine Aktenlage hergestellt wird, in der die Zellenhersteller dokumentieren, wie sie die Funktion des Rettungsgerätes im Zusammenspiel mit der Zelle sicherstellen. Leider hat der DULV und der DAeC bisher nur in Form einer Sicherheitsmitteilung reagiert, die man so zusammenfassen könnte: „Ein Rettungsgerät funktioniert oder auch nicht!" Wirklich hilfreich ist das nicht.
Dessen ungeachtet ist aber der Pilot mit Bestimmtheit der größte Unsicherheitsfaktor. Leider findet das Rettungsgerät, abgesehen von der pyrotechnischen Einweisung, in der UL-Ausbildung überhaupt nicht statt. Es obliegt daher dem fertigen UL-Piloten selbst, sich hinreichend und mental mit dem eventuellen Einsatz des Rettungsgeräts auseinander zu setzen. Für mich persönlich ist das Rettungsgerät eine zusätzliche letzte Chance, wenn ich in derselben Situation als Echo-Pilot keine Optionen mehr zur Verfügung hätte. An allererster Stelle wären hier das Strukturversagen und der komplette Kontrollverlust zu nennen. Solange aber mein UL fliegt, würde ich sämtliche fliegerischen Optionen ausschöpfen, bevor ich überhaupt an die Auslösung des Rettungsgerätes denken würde. Motorausfall oder Einflug in schlechtes Wetter sind für mich jedenfalls kein primärer Grund am roten Griff zu ziehen.
2) Wieso sieht die Rechtssprechung selbst bei einem Übergeben o.ä. im Flugzeug eine Not Außenlandung vor, obwohl eine solche nie vollstädnig geübt wird im Lehrbetrieb (also wirklich auf nem Acker landen oder so)? Ist es nicht ein hohes Risiko auf eben so einem Acker zu landen, wenn man sowas noch nie gemacht hat?
Und interessehalber... wie kommt man da wieder weg? *g*
Es ist richtig, dass nur in den seltensten Fällen eine Außenlandung bis zum Aufsetzen im Rahmen der Ausbildung geübt wird. Eine Notlandung kann man wegen der vielfältigen Begleitumstände, die dazu führen, prinzipiell überhaupt nicht üben.
Was man aber üben muss, sind sogenannte Ziellandungen auf normalen Flugplätzen oder UL-Geländen. Wer diese Ziellandungen aus unterschiedlichen Höhen und wechselnden Positionen ohne Motorhilfe immer sicher auf die Bahn bringt, hat im Falle einer Notlandung mit großer Wahrscheinlichkeit recht gute Karten, wenn sich ein landbares Gelände im Gleitbereich befindet. Aus diesem Grunde sollte man immer wieder solche Ziellandung auch an fremden Plätzen bis zur Perfektion üben.
Der Gesetzgeber unterscheidet klar zwischen Notlandung und Sicherheitslandung. Zu einer Notlandung ist man ohne weitere Optionen zu haben, gezwungen. Gründe für eine Notlandung könnten demnach z.B. Motorstillstand, aus welchem Grund auch immer, oder eingetretenes bzw. zu erwartendes Strukturversagen sein.
Eine Sicherheitslandung dient wie der Name schon sagt im weitesten Sinne der Sicherheit, aber auch der Hilfeleistung. So ist natürlich die Landung bei schlechter werdendem Wetter auf einem schönen Acker völlig ok. Den Eigentümer bzw. Pächter muss man aber davon unterrichten und ggf auch entschädigen. Ein Wiederstart ist ohne weitere Genehmigung möglich. Gleiches gilt falls es dem Luftfahrzeugführer nicht wohl ist. Auch das wäre eine Sicherheitslandung und ein Wiederstart ist möglich, wenn's ihm wieder gut geht. Spritmangel ist allerdings kein Kriterium für eine Sicherheitslandung.
Eine Sicherheitslandung musste ich bislang in all den Jahren noch nicht durchführen. Eine Notlandung nach Motorausfall ging aber für mich und meine Maschine ohne jegliche Blessuren aus. Ich war gottlob hinreichend in Übung und das zweifelsohne nötige Glück war mir hold!!
§ 25 LuftVG
(1) Luftfahrzeuge dürfen außerhalb der für sie genehmigten Flugplätze nur starten und landen, wenn der Grundstückseigentümer oder sonst Berechtigte zugestimmt und die Luftfahrtbehörde eine Erlaubnis erteilt hat. Für Starts und Landungen von nicht motorgetriebenen Luftsportgeräten tritt an die Stelle der Erlaubnis der Luftfahrtbehörde die Erlaubnis des Beauftragten nach § 31c; dieser hat die Zustimmung der Luftfahrtbehörde einzuholen, wenn das Außenlandegelände weniger als 5 Kilometer von einem Flugplatz entfernt ist. Luftfahrzeuge dürfen außerdem auf Flugplätzen
1. außerhalb der in der Flugplatzgenehmigung festgelegten Start- oder Landebahnen oder
2. außerhalb der Betriebsstunden des Flugplatzes oder
3. innerhalb von Betriebsbeschränkungszeiten für den Flugplatz
nur starten und landen, wenn der Flugplatzunternehmer zugestimmt und die Genehmigungsbehörde eine Erlaubnis erteilt hat. Die Erlaubnis nach Satz 1, 2 oder 3 kann allgemein oder im Einzelfall erteilt, mit Auflagen verbunden und befristet werden.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn
1. der Ort der Landung infolge der Eigenschaften des Luftfahrzeugs nicht vorausbestimmbar ist oder
2. die Landung aus Gründen der Sicherheit oder zur Hilfeleistung bei einer Gefahr für Leib oder Leben einer Person erforderlich ist. Das Gleiche gilt für den Wiederstart nach einer solchen Landung mit Ausnahme des Wiederstarts nach einer Notlandung.
In diesem Falle ist die Besatzung des Luftfahrzeugs verpflichtet, dem Berechtigten über Namen und Wohnsitz des Halters, des Luftfahrzeugführers sowie des Versicherers Auskunft zu geben; bei einem unbemannten Luftfahrzeug ist sein Halter zu entsprechender Auskunft verpflichtet. Nach Erteilung der Auskunft darf der Berechtigte den Abflug oder die Abbeförderung des Luftfahrzeugs nicht verhindern.
(3) Der Berechtigte kann Ersatz des ihm durch den Start oder die Landung entstandenen Schadens nach den sinngemäß anzuwendenden §§ 33 bis 43 beanspruchen.
3) Wann aktiviert man eigentlich das Rettungssystem... bei nem Motorausfall in Reiseflughöhe ist ja das Außenlanden vorgesehen.... und beim Start hilft es einem nicht wirklich...
Für das Aktivieren des Rettungssystems gibt es keinerlei gesetzliche oder sonstige Vorschriften. Allenfalls gibt es dafür wage Empfehlungen. Es ist aber sehr zu empfehlen, sich wirklich sehr ernsthaft mit den möglichen Szenarien zur Auslösung des Rettungsgerätes ausgiebig auseinander zu setzen.
Wie ich unter 1. schon angedeutet habe, kann ich mich hier Oliver Reik in Gänze anschließen. Vor allem wenn der Schirm erst einmal raus ist, und dabei spielt es keine Rolle, ob er sich wunschgemäß entfaltet hat oder als „Stoffwurst im Schlepptau“ hinterher flattert, sind alle fliegerischen Optionen mit einem Knall dahin!!
4) musstet ihr schonmal außenlanden? Oder das Rettungssystem aktivieren?
Nein, und wie Du vielleicht jetzt mitbekommen hast, werde ich wahrscheinlich zu denen Piloten gehören, die auf die Auslösung eher verzichten werden. Zur Not/Außenlandung s.o..
5) und wo ich eben schon einmal das Übergeben erwähnt habe *g* (auch wenn die Frage nicht direkt mit der Sicherheit zu tun hat)... sind ULs da heftiger als andere Flugzeuge? Kann man sich daran gewöhnen? Oder sitzt man da mit seiner angefanenen UL Ausbildung und es wird einem in jeder Flugstunde übel?
Menschen, denen beim Fliegen, Achterbahnfahren etc. übel wird, leiden möglicherweise an einer Kinetose. Neben der in Wikipedia beschrieben physiologischen Ursachen der echten Kinetose, gibt es aber auch psychologische Ursachen für die meiner Meinung nach viel weiter verbreiteten Pseudokinetose.
Bei der Pseudokinetose ist in erster Linie eine tiefsitzende unbewusste Angst der Auslöser. Ein Hinweis auf eine Pseudokinetose ist z.B. das Unwohlsein, wenn man in einem Fahrzeug mit den Rücken zur Fahrtrichtung sitzt. Man ist der Ansicht, dass dieses Unwohlsein, was sich je nach Individuum auch in regelrechten Angstzuständen äußern kann, darauf beruht, dass sich die Landschaft dabei von einem entfernt, wie es bei einem Sturz in Rückenlage der Fall wäre. Ein Aufprall in Rückenlage wäre zweifelsohne dramatischer, als wenn der Sturz durch die ausgestreckten Extremitäten abgemildert werden könnte, also die Landschaft auf einen zukäme.
Für diese Angsttheorie spricht auch, dass viele nach einer einmal gut überstanden Seekrankheit nie mehr seekrank werden, oder dass Autofahrern bei gleicher Geschwindigkeit und Fahrweise auf der gleichen Strecke nur als Beifahrer schlecht wird.
Falls Du auch an einer Pseudokinetose leidest, würde das bedeuten, mit Überwindung Deiner unbewussten Angst durch die Erfahrung, dass ja alles immer gut geht, und sehr viel Spaß bereitet, wird auch das Unwohlsein nach und nach verschwinden.
Ansonsten solltest Du die ruhige Luft der frühen Morgen- oder der späteren Abendstunden für Deine Flüge ausnutzen.
Michael
BlueSky9 schrieb:Hab es mittlerweile auch so gefunden. War sicher etwas zu voreilig damit. Der Fragenkatalog sitzt mir noch zu tief im Hirn :) -> Text angepasst...
--> Für das Aktivieren des Rettungssystems gibt es zum einen
Vorschriften
Es gibt natürlich *keine* Vorschriften für das Aktivieren der Rettung.
Es gibt da höchstens "Empfehlungen" und den gesunden Menschenverstand
:-)
BlueSky9 schrieb:Und Ausnahmen bestätigen die Regel...
--> (z.B. Flug über geschlossener Wolkendecke gepaart mit
Motorausfall
o.ä.).
--> ...
--> Das Rettungssystem löst man aus, wenn man kein geeignetes
Notlandefeld
--> erreichen kann (z.B. ... über einer Großstadt)
Das sind beides Szenarien, die es im Grunde bei einer
verantwortungsvollen
UL-Fliegerei nicht geben darf.