Inspektionsintervalle

Forum - Technik & Flugzeuge
  • Moin,

    wenn ich so nett von Techbär gefragt werde, dann will ich auch eine Antwort geben:

    Die Literleistung der meisten Flugmotoren ist recht schlapp, da würde man auf keiner Rennstrecke mehr
    aus der Boxengasse fahren. Selbst die 100 PS vom Rotax 912 ULS sind so gesehen nicht der Hit, moderne Motoren
    bringen da schon mehr als das Doppelte, ohne Turbor. Geht dann über Drehzahl. Bei Flugmotoren mit viel Hubraum und ohne Getriebe ist die Literleistung noch wesentlich bescheidener. Aber das ist ja auch so gewollt.
    Die Bedingungen auf der Strasse oder der Rennstrecke sind halt nicht vergleichbar, deshalb sind die Motorkonzepte auch den Bedingungen angepasst.

    Ob die Inspektions- oder Wartungsintervalle der Motorhersteller angebracht sind? Die Motorhersteller wollen/müssen erst einmal auf der sicheren Seite bleiben. Und wenn öfters kontrolliert wird, dann ist die Chance auch größer, dass sich langsam entwicklende Fehler oder Defekte entdecken lassen. Z.B. auch durch Aufschneiden des Ölfilters.

    Wenn ich mein UL nur privat fliege, dann kann ich mich an die Herstellerangaben halten, muss es aber nicht.

    Zur Technik ...... die Motoren sind heute besser als vor vielen Jahren, die Materialien sind besser und die Motoröle sind auch besser geworden. Aus meiner ganz privaten Sicht könnten auch die Motoröle deutlich längere Laufzeiten vertragen. (wer wieder auf mich schießen will ..... wie gesagt, meine private Meinung und die muss man nicht teilen)

    Bei den Ölen muss man wissen, dass es einen deutlichen Unterschied macht, ob ein Getriebe mit versorgt werden muss. Wie z,B. beim Rotax oder Motorrädern. Hier sind die Anforderung anders, als wenn "nur" die Motorinnereien geschmiert werden sollen. Der Grund liegt in den hohen Drücken zwischen den Zahnflanken der Getriebräder. Langfristig werden da sogar durch Quetschung die Molekülketten der Öle aufgebrochen und dadurch die Eigenschaften der Öle verändert. (bei Automotoren sind meistens die Getriebe getrennt und haben spezielle Getrieböle)
    So gesehen würde ich bei Motoren mit Getriebe Ölwechsel öfters bzw. in kürzeren Intervalle ansetzen als bei Motoren ohne Getriebe. Die Öle sind übrigens auch unterschiedlich.

    Bei Motoren ohne Getriebe sind die Anforderungen etwas einfacher und dadurch Alterung / Veränderung der Öle nicht so massgebend. Im Selbstversuch habe ich eigene Autos auch schon 100.000 km ohne Ölwechsel gefahren, nur den Filter gewechselt und bei Bedarf Öl nachgefüllt. Gab keine Probleme. Jedenfalls in unseren Breitengraden.

    Z.B. beim D-Motor werde moderne vollsynthetische dünne Öle eingesetzt, da würde ich mich selber auch trauen, das Öl etwas später zu wechseln. Gleiches gilt für die Zündkerzen, die dürfen im Auto 200.000 km machen.

    Wenn ich vorwiegend Strecke fliege, dann ist der Motor und das Öl auch für längere Zeit gleichmäßig auf Temperatur und beides hält länger.
    Fliege ich mit gleichem Motor nur Platzrunden, dann würde ich die Intervalle wieder kürzer setzen.

    Fliege ich in Gegenden mit hoher Staubbelastung (Sahara oder so), dann kann sehr feiner Staub auch durch die Luftfilter bis in die Brennräume kommen. Wird dann teilweise von den Kolbenringen abgestreift und kommt letzlich auch in kleinsten Mengen mit in das Motoröl. Dann sollte man öfters wechsel, das holt kein Ölfilter wieder raus.

    Fliege ich ständig mit zu kalten Motortemperaturen, dann bekomme ich kondensierendes Wasser auch nicht mehr aus dem Öl. Ist dann auch nicht gut für zu lange Wechselintervalle.

    Es gäbe viele Beispiele um die Wechselintervalle ohne Bedenken zu verlängern ..... oder sogar zu verkürzen.
    Die Hersteller versuchen, mit ihren Angaben die meisten Bedingungen oder Anwendungen abzudecken damit es möglichst für alle passt.  ------- Sonst hätten wir irgendwann abweichende oder spezialisierte Vorschriften wie in den deutschen Steuergesetzen und jeder Motor müsste mit Hilfe eines "Motorberaters" betrieben werden.

    Teilweise werden in modernen Autos die Betriebsbedingungen ja vom Bordrechner erfasst und dem entsprechend die Wechselintervalle angepasst.  ------ Im Flugzeug würde das wieder etliche Kabel und Sensoren mehr bedeuten:

    So, jetzt seid Ihr mit meinen Aussagen so schlau wie vorher, ich halt es da mit den Politikern und lege mich nicht verbindlich fest.
    Wer sich nach allen Seiten absichern möchte, der hält sich eben an die Angaben der Hersteller.

    Andere, die genau wissen, was sie vorher ihrem Motor / Flieger so alles angetan haben, die können (Achtung, persönliche Meinung !!!) auch die Sache etwas flexiebler handhaben, die müssen halt immer ein Ohr am Motor haben und die Finger im Öl.

    By the way, ganz früher, in der guten alten Zeit, da hatten Motoren gar keine Filter im Hauptstrom und die Öle waren alle unlegiert. Da waren die Wechselintervalle auch auf nur 1.000 km bis max 3.000 km gesetzt. Selige Zeiten für Werstätten.

    Und heute ----- den ein oder anderen Liter Öl verkaufe ich immer noch gerne, Kerzen auch.

    Bis dahin
    Jos
  • Hallo Jos,
    DAUMEN HOCH
  • Hallo Jos,

    dickes Dankeschön dafür. Eine solche Ausführung hatte ich mir erhofft.

    Gruß Techbär
  • Eine weitere aus meiner Sicht interessante Frage betrifft die Überprüfung der Vergaser alle 200 h.

    Rotax betrachtet das ja als Heavy Maintenance und verrät deswegen beim Line Maintenance Lehrgang keine Details. Die kann man aber herausfinden, wenn man will und gute Leute kennt.

    Klar ist auch hier wieder: wer sich an das Intervall hält, ist zumindest formal auf der sicheren Seite.

    Bei meinen Vergasern wurden vor wenigen Stunden die Schwimmernadelventile auf Verdacht getauscht. 
    Die Schwimmeraufhängungen waren noch ganz ok. Die Vergaser sind gut synchronisiert, der Motor läuft in allen Drehzahlbereichen rund, die Leistung ist wie gewohnt, alle 8 Zündkerzen zeigen gleichmäßig das berühmte rehbraun und der Kraftstoffverbrauch liegt mit rund 15l/h bei Drehzahl 5000 U/min und 180 km/h in dem für meinen Flieger gewohnten Rahmen.

    Gibt es sachlich einen guten Grund, bei diesen Bedingungen eine komplette Vergaserrevision zu machen? Anders herum gefragt: würde sich fortschreitender Verschleiß irgendwann schleichend mit schlechterem Laufverhalten bemerkbar machen? Oder wäre mit irgendwelchen plötzlichen Problemen zu rechnen, die aus dem Verschleiß nicht intervallgerecht getauschter Teile folgen?
  • Moin Techbär,

    ob das mit der Wartung der Vergaser so angebracht ist oder nicht, das möchte ich nicht beurteilen.
    Generell ist es aber so, dass die Hersteller ihr "Baby" natürlich besser kennen als die meisten späteren Benutzer. Auch fließen da immer die Langzeiterfahrungen mit ein. Das ist nicht nur bei Flugmotoren so, das gibt es auch bei Autos oder Maschinen.
    Im Allgemeinen wissen die Hersteller schon recht gut über mögliche Problemzonen bescheid.
    Oft wird sich auch bei den intervall abhängigen Prüfungen gar kein Fehler finden.
    Als Vergleich ..... ist wie bei möglichen Nebenwirkungen von Medikamenten, fast Alles wird im Beipackzettel aufgeführt, aber nur einige Wenige trifft es dann wirklich.
    Aber die Chance, dass sich Verschleiß einstellt und die Funktion der gefährdeten Bauteile gestört wird, die ist bei den schon bekannten Problembereichen doch gegeben.
    So gesehen ist der sachliche Grund, diese oder andere Revisionen zu machen, ganz einfach in der Erfahrung der Hersteller gegeben. Ob genau 200 Stunden nötig sind, ist eigentlich nebensächlich. Aber wenn man weiß, dass an bestimmter Stelle mal etwas passieren kann, dann muss man sich diese Stelle eben auch mal anschauen.

    Mit schleichend auftretenden Verschlechterungen ist das so eine Sache ....... wenn es wirklich sehr langsam sich verstärkt/verschlechtert, dann wird man das selber nicht unbedingt merken. Man gewöhnt sich an Alles. Z.B unsauber arbeitende Zündkerzen, sich langsam verstellende Gemischbildung, langsam nachlassende Verdichtung usw.
    Fährt oder fliegt man dann ein Vergleichsmuster, dann merkt man den Unterschied sofort.

    Andererseits, kennt man seinen Motor genau und benutzt den fast jeden Tag, dann fallen einem schneller auftretende Unregelmäßigkeiten sofort auf und man sollte reagieren. Z.B. anderer Auspuffsound, anderer Geruch, anderer Vibrationen, andere Reaktion auf den Gashebel usw.

    Mit dem schleichend auftretenden Verschleiß ist das so wie mit dem Krug, der solange zum Brunnen geht, bis er bricht. Erst einmal geht es sehr lange Zeit gut ........ wartet man zu lange, dann kann der Schaden auch auf andere Teile übergreifen und dann wird es noch teurer.

    Sorry, die Antwort wird Dir wohl auch nicht wirklich geholfen haben :-)

    Viele Grüße
    Jos
  • Hallo Techbär,

    sorry, gerade wenig Zeit...

    ganz kurz meine _ganz persönlichen_ Erfahrungen
    (sind alle falsch und gelten nicht!!)


    912 UL / 80 PS / immer gut syncronisiert / Reisederhzahl 4600 - 4900 U/min

    Schwimmeraufhängung (Querbügel)
    nach ca. 300 - 400h von der Schwimmernadel leicht eingelaufen.
    Tauschen.

    O-Ring der Leerlaufgemscheinstellschraube nach
    900h sehr angebröselt
    Tauschen.

    Schwimmernadel Vitonspitze nach ca. 400h absolut dicht aber
    minimale Druckstelle sichtbar.
    Tauschen

    Nadeldüse, Düsennadel und Sicherungsclips nach 1000h
    keinen messbaren(!) Verschleiß.
    (Es ist nicht ganz einfach z.b. die Düsennadel auszumessen)
    Sogar die Clips sitzen noch fest in der Düsennadel-Nut.
    (dann trotzdem getauscht - 1000h sind genug ;)

    O-Ring-Dichtungen von Choke, Düsenstock und Leerlaufdüse
    nach 1000h quasi im Neuzustand.
    (dann trotzdem getauscht)

    Gleichdruckdiaphragma nach 1000h quasi im Neuzustand.
    keinerlei Risse, verspödungen - alles super geschmeidig.
    (dann trotzdem getauscht)

    O-Ring Dichtung Drosselklappenwelle nach 1000h
    optisch einwandfrei soweit sichtbar.
    nicht getauscht, da das Drosselklappenschrauben wegschleifen
    eine ziemliches Gemurkse ist.
    (checke ich alle 100h nochmal)

    Drosselhebel nach 1000h unteres Auge durch Feder
    leicht eingelaufen
    Getauscht.
    (die neuen haben einen kleine Plastikring im Federauge)

    Alles was Du benötigst, bekommst Du hier
    (original BING Teile)  klick




    Ansonsten brauchst Du nur noch
    wirklich gutes(!) Werkzeug, die Explosionszeichnung
    aus dem ROTAX Ersatzteilkatalog, einen sauberen Arbeitsplatz,
    gutes Licht, viel Gefühl und Sorgfalt und ein verregnetes Wochenende.
    Dann sind deine beiden BINGs wieder wie neu!


    BlueSky9
  • @ Jos
    @ BluSky9

    Danke Euch recht herzlich. Das sind aufwändige und sehr hilfreiche Antworten!

    Gruß Techbär
  • Danke,
    ich schließe mich meinem Vorredner an! Manchmal gibt es hier tatsächlich noch interessante und lehrreiche Diskussionen. Ich verweise im übrigen auf die letztes Jahr von mir initiierte Erörterung zum vergleichbaren Thema.
    http://www.ulforum.de/ultraleicht/forum/2_technik-und-flugzeuge/1910_wartung-am-912
    Gruß, Georg
Jetzt anmelden

Passwort vergessen

Umfrage Archiv

Plant ihr, einen Autopiloten in eurem UL zu installieren?

Nein
54.3 %
Ja
45.7 %
Stimmen: 140 | Diskussion
Anzeige: Roland Aircraft
Statistik Alle Mitglieder

Aktuell sind 5 Besucher online.

Anzeige: EasyVFR Anzeige: EasyVFR