Unfallbericht in eigener Sache - Totalschaden aber überlebt

Forum - Unfallprävention
  • Moin zusammen, ich hatte es ja bereits in einem Post vor einigen Wochen angedeutet. Heute berichte ich etwas ausführlicher von meinem eigenen Unfall.

    Hergang: am 05 September flog ich in meiner TL-Sting zusammen mit meinem Sohn von Marl nach Konstanz. Es herrschten ideale Bedingungen: optimale Sicht, kaum Wind, kaum Thermik. Fliegen wie auf Schienen. In Konstanz habe ich dann die Piste gekreuzt und bin dann in den Gegenanflug auf die 30 eingebogen. Auch danach alles nach Lehrbuch: Queranflug, zweite Klappe gesetzt, Endanflug – passte alles. Dann bin ich aufgesetzt und war dabei wohl ein paar kmh zu schnell. Die TL ist da leider ziemlich empfindlich. Man muss die im Flare wirklich aushungern, sonst springt die beim aufsetzen sofort wieder hoch. So auch diesmal. Aber da mir das bereits einige Male passiert ist und ich das immer recovern konnte, habe ich auch diesmal wieder versucht: einfach den Hobel gerade und flach halten und weiter ausflaren lassen. Dabei habe ich dann leider eine Bodenwelle erwischt, die mich glatt 1-2 Meter nach oben geschleudert hat. Dann sofort Strömungsabriss, Nase kippt nach vorn, Bugrad bricht weg, der Propeller gräbt sich in den Boden und der Hobel überschlägt sich.

    Ergebnis: mein Sohn hatte nur ein paar Prellungen. Ich hatte zwei Halswirbel gebrochen, der zweite Wirbel (Axis) war komplett durch, der siebte nur zu 2/3. Ich hatte allerdings sehr sehr viel Glück. In weniger als einer Minute waren Helfer am Wrack. Zugleich war ich bei Bewusstsein. Ich habe sofort gespürt, dass am Hals was gebrochen ist und habe den Helfern gesagt, sie sollen bitte äußerst vorsichtig sein. So hat mich dann einer an den Füssen rausgezogen und ein zweiter hat meinen Kopf abgestützt. Innerhalb von 10 Minuten waren 2 RTW am Platz, auch die Rettungssanitäterin hat hervorragend gearbeitet: gecheckt, ob ich noch alles bewegen kann, dann Stifneck angelegt, dann in die Vakuummatratze und Fahrt ins Krankenhaus Konstanz, direkt in den Schockraum. Dort wurde dann ein Ganz-Körper-CT gemacht und der Halswirbelbruch hat sich bestätigt.


    Wie kam es jetzt zu dem Unfall und was kann man daraus lernen? Wie immer bei Flugunfällen kamen hier mehrere Faktoren zusammen.

    Ich persönlich rechne mir zwei Fehler zu:
    1. Ich war beim Aufsetzen etwas zu schnell
    2. Ich hätte sofort nach dem ersten Bump durchstarten müssen


    Dazu kommen folgende externe Faktoren:
    1. Die Graspiste war (ist?) in einem erbärmlichen Zustand.  (wer Konstanz und Unfall googelt, findet sofort mehrere Maschinen, die dort auf dem Rücken liegen)
    2. Propstrike auf Gras führt fast automatisch zu einem Überschlag. Auf Asphalte wäre ich wahrscheinlich gerutscht
    3. Es war fast Windstille an dem Tag. Eine Gegenwindkomponente von 10kmh hätte locker gereicht, dann wäre das nicht passiert

    Fazit: Ich habe Fehler gemacht. Allerdings waren die eigentlich nicht wirklich gravierend und die Unfalllandung war sicher nicht die schlechteste meiner etwa 900 Landungen. Mit anderen Worten: Wenn man Pech hat und äußere Umstände begünstigen es, dann können auch kleine Fehler dramatische Folgen haben.


    Wie seht ihr das?


    Nordseepilot

  • Hallo Nordseepilot,

    vielen Dank für den sehr interessanten Unfallbericht und den Schlussfolgerungen daraus. Immer wieder erstaunlich was man alles in Betracht ziehen muß, man lernt einfach nie aus!  

    VG Hermann

  • schrieb:

    Fazit: Ich habe Fehler gemacht. Allerdings waren die eigentlich nicht wirklich gravierend und die Unfalllandung war sicher nicht die schlechteste meiner etwa 900 Landungen. Mit anderen Worten: Wenn man Pech hat und äußere Umstände begünstigen es, dann können auch kleine Fehler dramatische Folgen haben.

    Haupsache Ihr beide lebt! Alles andere ist ersetzbar.
    Man kann nicht immer alles vorhersehen und die Linie zwischen der richtigen und falschen Entscheidung ist dünn in unserem Sport. Ich kannte schon relative viele persönlich wo es nicht so glimpflich abgelaufen ist.
    Ich hoffe Du wirst wieder 100 % gesund und wirst die Lust am Fliegen nicht verlieren. 
  • Moin,

    danke für den Bericht. Ich hoffe, du wirst oder bist wieder komplett fit!

    Ich verstehe den Teil mit dem Gegenwind nicht. Wieso war Windstille mit ursächlich?

    Und mit welcher Geschwindigkeit bist du angeflogen? 

    Gruss Raller 

  • schrieb:
    Ich hatte zwei Halswirbel gebrochen, der zweite Wirbel (Axis) war komplett durch, der siebte nur zu 2/3.
    Holy Sh**....
    schrieb:
    Dabei habe ich dann leider eine Bodenwelle erwischt, die mich glatt 1-2 Meter nach oben geschleudert hat. Dann sofort Strömungsabriss, Nase kippt nach vorn
    Sicher, dass du nicht (evtl. unbewusst) nachgedrückt hast? Das sieht man immer und immer wieder. Ich kenne den Flieger nicht und wie er sich im Stall verhält, kann mir aber grad nicht vorstellen, dass er dann derart die Nase fallen lässt. 


    Chris

  • @Raller

    Fehlender Gegenwind war sicher nicht ursächlich. Aber Gegenwind verringert beim Landen die Groundspeed und das hilft natürlich. Vor allem dann, wenn die Piste in einem extrem schlechten Zustand ist, was hier der Fall war.

    Mir persönlich geht es wieder recht gut. Ich habe gut 6 Wochen einen Stifneck getragen und war danach noch einige Wochen extrem vorsichtig. Zum Glück haben die Ärzte in Konstanz gegen eine OP entschieden. Mit OP sähe die Lage jetzt dtl schlechter aus. Abgesehen von einem eingeschränkten Gefühl im rechten Zeigefinger habe ich keine Einschränkungen. OK, ich habe vor dem Unfall 10 Klimmzüge geschafft - im Moment schaffe ich keinen. Aber jetzt läuft die Physio an - das wird wieder. 

    Alles in allem habe ich ein beinahe unfassbares Glück gehabt...

    Edit: Anflug im Final mit etwa 100kmh, aufsetzen mit etwa 60kmh, genau weiß ich es nicht mehr, aber offensichtlich war ich etwas zu schnell. Wie gesagt, die Sting schwebt im Bodeneffekt ewig...

  • Nordseepilot schrieb:
    wenn die Piste in einem extrem schlechten Zustand ist, was hier der Fall war.

    Unterschreibe ich so und wir sind auch nicht die einzigen mit dieser Meinung: https://eddh.de/info/lande_pireps.php?pi_icao=EDTZ 
  • Hallo Nordseepilot,

    Hut ab für den Mut, hier Dein Missgeschick zu veröffentlichen.

    Prima von der community , dass sie Dich nicht gleich zerreißen!!

    Es zeigt, dass ein Überschlag mit einem Tiefdecker sauverletzungsträchtig ist. Ein Glück für Euch Beide, das es einigermaßen glimpflich ausging.

    Was mich interessiert: Wie hattes Du es organisiert, die beschädigte Maschine abzutransportieren. Schließlich lagst du bestimmt in Krankenhaus. Diese Frage treibt mich um, wenn ich nur daran denke, mit einem größeren Schaden liegen zu bleiben.

    Rüdiger

  • Vielen Dank für die Offenheit und das Teilen....Good Airmenship!

    schrieb:

    Fazit: Ich habe Fehler gemacht. Allerdings waren die eigentlich nicht wirklich gravierend und die Unfalllandung war sicher nicht die schlechteste meiner etwa 900 Landungen. Mit anderen Worten: Wenn man Pech hat und äußere Umstände begünstigen es, dann können auch kleine Fehler dramatische Folgen haben.


    Wie seht ihr das?

    Ich denke weil niemand dabei war, wird da niemand konkret einsteigen können, aber Denkanstöße mitnehmen/mitgeben...

    Selbst habe ich mich gerade gefragt, wann ich das letzte Mal den Stachel reingeschoben hab nach einer Froschlandung...ich kann mich nicht erinnern (also schon an die Froschlandung:-) )und muss mich da selbst hinterfragen ob ich mir die Option durchstarten abtrainiert habe. Also durchstarten aktiv üben (und nicht nur alle 2 Jahre mal, weil der Lehrer das meint) und eben auch den tasmanischen Teufel durch Durchstarten covert.

    Egal, am Ende habt ihr beide überlebt und die körperlichen Folgen scheinen ja wieder wegzugehen

  • francop schrieb:
    Selbst habe ich mich gerade gefragt, wann ich das letzte Mal den Stachel reingeschoben hab nach einer Froschlandung...
    Ich bin leider schon mehrmals gelandet, wo ich mir hinterher eingestehen musste, dass der go around die bessere Entscheidung gewesen wäre. Es passieren soviele Dinge in so kurzer Zeit, da sind Fehleinschätzungen und -handlungen auf Dauer schlichtweg unausweichlich.

    Chris

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